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13.06.2011

VwGH trägt anachronistische Mietvertragsgebühr ins 21. Jahrhundert

In der Entscheidung 2009/16/0271 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gebührengesetz wieder einmal zum Durchbruch verholfen, diesmal mit einer bedenklich weiten Auslegung des Urkundenbegriffs. Folgender Sachverhalt war zu beurteilen: Dem Beschwerdeverfahren liegt ein Mietvertrag über einen Büroraum zu Grunde, der am 1. Juli 2008 zwischen der mitbeteiligten OG und einem Rechtsanwalt abgeschlossen worden ist. Das Anbot auf Abschluss des Mietvertrages wurde ebenso wie die Annahmeerklärung per E-Mail mit sicherer digitaler Signatur übermittelt. Ein Ausdruck der E-Mails erfolgte durch keine der Vertragsparteien.
Der gegen in erster Instanz Gebühren festsetzenden Bescheide von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben und die beiden erstinstanzlichen Bescheide aufgehoben. Nach der Begründung stelle ein E-Mail, das mit einer sicheren elektronischen Signatur unterfertigt worden sei, kein Papier dar. Solange das elektronisch festgehaltene Dokument nicht auf Papier ausgedruckt werde, liege daher keine Urkunde im Sinne des Gebührenrechtes vor. Zudem gebiete es die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, dass der Gesetzgeber im Gebührengesetz eine unmissverständliche Aussage darüber treffe, welche Art von Urkunden über ein Rechtsgeschäft zur Gebührenpflicht führe.
Strittig ist im vorliegenden Verfahren ausschließlich die Beantwortung der Frage, ob der Abschluss des Bestandvertrages durch Anbot und Annahme jeweils mittels nicht ausgedruckter E-Mails mit sicherer elektronischer Signatur gebührenpflichtig im Sinne des Gebührengesetzes ist.
Ausgehend von den gesetzlichen Begriffen steht einer Anwendung dieses "Papierbegriffes" auch auf die Gebührenpflicht von Rechtsgeschäften (III. Abschnitt) nichts entgegen. Papier ist demnach jeder "Stoff", der eine "Schrift" zu tragen geeignet ist. Ist ein - gebührenrechtlich relevantes - Rechtsgeschäft in Schriftform auf einem "Stoff" verfasst, liegt eine Urkunde vor, die wiederum Bedingung für die Gebührenpflicht ist. Als Stoff kann jedenfalls ein Bildschirm dienen, auf dem ein E-Mail (Schrift, Urkunde) lesbar gemacht werden kann. Durch die Möglichkeit, die Daten eines E-Mails zu speichern, wird auch dem der Beurkundung innewohnenden Zweck der Schaffung eines Beweismittels entsprochen. Eine Löschung der Daten hebt die einmal entstandene Gebührenpflicht nicht auf.
Einer eigenen Regelung für die Gebührenpflicht für Sachverhalte wie dem vorliegenden bedurfte es - anders als in § 11 Abs. 2 GebG für die Vorschreibung fester Stempelgebühren für Schriften und Amtshandlungen (II. Abschnitt ) - nicht, weil - wie gezeigt wurde - schon die bestehenden Vorschriften auch diese Fälle umfassen.
Als weitere Voraussetzung für die Gebührenpflicht sieht das GebG die Unterzeichnung der Urkunde vor (§ 16 Abs. 1 Z 1 lit.a GebG). Im Beschwerdefall liegt unstrittig eine sichere digitale Signatur vor, von der sich die Frage stellt, ob sie einer "Unterzeichnung" gleichzuhalten ist. Gemäß § 18 Abs. 1 GebG steht der handschriftlichen Unterzeichnung durch den Aussteller die Unterschrift gleich, die von ihm oder in seinem Auftrag, oder mit seinem Einverständnis mechanisch oder in jeder anderen technisch möglichen Weise hergestellt oder mit Namenszeichnung vollzogen wird. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann das Beisetzen einer sicheren elektronischen Signatur im Sinne des SigG insbesondere unter Bedachtnahme auf die zitierte Bestimmung der Richtlinie 99/93/EG nur dahin verstanden werden, dass die elektronische Signatur der händischen Unterschrift gleich gesetzt ist.

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