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22.08.2011

Religionsfreiheit contra Schadensminderungspflicht?

Die Religionsfreiheit ist unumstritten ein wesentliches Grundrecht in jeder freien Rechtsordnung; sowohl Art 14 Staatsgrundgesetz als auch Art 9 der Menschenrechtskonvention ordnen an, dass die Religionsausübung grundsätzlich nicht beschränkt werden darf.

Ein wesentliches Prinzip des Schadenersatzrechtes ist die Verpflichtung zur Schadensminderung (ausgestaltet als Obliegenheit), wonach der Geschädigte den ihm entstandenen Schaden möglichst gering zu halten hat (bei sonstiger Einschränkung des Ersatzanspruches) und alle Maßnahmen treffen muss, die ihm objektiv zumutbar sind.

Mit der Frage, ob der persönlichen Überzeugung widersprechende medizinische Maßnahmen als objektive zumutbar anzusehen sind, wurde unlängst der Oberste Gerichtshof (OGH) konfrontiert (2 Ob 198/10x).

Der Anlassfall: Eine Frau wurde von einem Lkw überrollt und verlor ein Bein. Aufgrund ihrer persönlichen religiösen Überzeugung (sie war Zeugin Jehovas) verweigerte sie eine lebensrettende Bluttransfusion, und verstarb aus diesem Grund zwei Tage später. Der Ehegatte klagte die Haftpflicht-Versicherung des LKW auf Schmerzengeld (aufgrund der Schmerzen, die die Frau vor ihrem Tod erlitt), Begräbniskosten sowie Ersatz des Trauerschadens. Die Versicherung berief sich auf die verletzte Schadensminderungs||obliegenheit der Verstorbenen. Diese hätte durch Bluttransfusionen den eingetretenen Schaden (Tod) abwenden können.

Der OGH entschied, dass die Freiheit der Gewissensentscheidung es nicht ausschließt, die religiös motivierte Ablehnung von Bluttransfusionen als Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit zu berücksichtigen. Der OGH stützte seine Entscheidung darauf, dass die beim Unfall Verletzte nicht in der Religionsfreiheit beeinträchtigt war. Als eigenberechtigte Person stand es ihr vielmehr frei, die Behandlung abzulehnen.

Die Freiheit der Gewissensentscheidung bedeutet nicht, dass derjenige, der eine für ihn objektiv ungünstige, gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßende Gewissensentscheidung trifft, die daraus folgenden Nachteile nicht zu tragen hat. Eine Abwälzung der Nachteile auf den Schädiger würde eine faktische Privilegierung der Mitglieder der Religionsgemeinschaft bedeuten.

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